Wie ein Amateurfilmer Frieden im Krieg inszenierte
Im Zweiten Weltkrieg filmt ein junger Österreicher sein Privatleben und seine Karriere beim nationalsozialistischen "Reichsarbeitsdienst". 80 Jahre später tauchen die Filme wieder auf. Die Aufnahmen zeigen das Leben einer Kleinfamilie, idyllisch inszeniert und außergewöhnlich schön gefilmt - bis das Bild eines Kindes hinter Stacheldraht zu sehen ist. Wer war dieser Amateurfilmer, und in welchem Zusammenhang stehen seine außergewöhnlichen Filme? Ein junger Niederösterreicher filmt sein Familienleben, seine Karriere beim "Reichsarbeitsdienst" und hält die ersten Nachkriegsjahre in schön gestalteten Schwarz-Weiß-Bildern fest. Innerhalb von zwei Jahrzehnten schafft er ein Konvolut von acht großen Rollen 9,5mm-Film, die sowohl wegen ihrer filmischen als auch wegen ihrer inhaltlichen Qualität hohen Seltenheitswert besitzen. Die Bilder des jungen Amateurfilmers sind zwischen der idyllischen Welt des kleinen niederösterreichischen Familiengartens und den Straßen des besetzen Paris, den zerbombten ukrainischen Städten, polnischen Gettos und Zwangsarbeitslagern angesiedelt und zeigen schließlich das friedliche Wien der 1950er-Jahre, in dem Bundeskanzler Leopold Figl 143 Kinder im Stephansdom katholisch firmen lässt, darunter die Tochter des Amateurfilmers. Die acht Filmrollen sind das Selbstzeugnis eines durchschnittlichen Kleinbürgers und die verharmlosende Darstellung seines Lebenswegs inmitten der schwierigsten Phase unserer Zeitgeschichte. In der zweiteiligen Dokumentation "Der Mann mit der kleinen Kamera" begibt sich Filmemacher Andreas Kurz auf eine spannende Suche nach dem Amateurfilmer und den Hintergründen des Materials, rekonstruiert mithilfe von Historikern die Orte und Umstände, unter denen die Filme entstanden sind, und macht schließlich auch Nachkommen des Mannes mit der kleinen Kamera ausfindig. Wie an kaum einem anderen Material lässt sich an diesem Filmschatz die dringende Interpretationsbedürftigkeit historischer Zeugnisse zeigen.
Wiederholungen
29. Oktober | 04:10 | 3sat |
Der Mann mit der kleinen Kamera
Wie ein Amateurfilmer Frieden im Krieg inszenierte |
Sendungsinfos
OTOriginaltitel:
Der Mann mit der kleinen Kamera
Folgesendung: 00:10 / 3sat
Reporter Spezial
Von Sexualbegleitung, Tattoos und Jodeln
30 Minuten
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