Mutiger Mehrteiler „Eldorado KaDeWe“

Event-Serie im Ersten: Ein bisschen „Babylon Berlin“, aber queerer

27.12.2021 um 12:42 Uhr

Verbotene Liebe, ein verruchter Club und ein berühmtes Kaufhaus: Der Sechsteiler „Eldorado KaDeWe“ entführt ins Berlin der 1920er-Jahre und erzählt dort eine hochaktuelle Geschichte. So queer war öffentlich-rechtliches TV selten.

Ein Artikel von TV-Digital-Redakteur Mike Powelz

Scheichs, die ihren Harem beeindrucken wollen. Schauspielerinnen wie Marlene Dietrich, die sich nach der neuesten Mode kleiden. Und dazu die gesammelte High Society, die ganz einfach ihrer Kauflust frönen will. Sie alle strömen in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts in einen wahren Tempel des Luxus: das Berliner „Kaufhaus des Westens“, damals wie heute besser bekannt als KaDeWe. Ein anderer Hotspot im Berlin dieser Zeit hingegen ist heute weitgehend in Vergessenheit geraten: Der wegen seiner Skandale und Exzesse berüchtigte Nachtclub „Eldorado“. Ein „Tempel der Sünde“, wo eine freizügige Hautevolee der Hauptstadt in Gesellschaft von Schwulen, Lesben und Transsexuellen einst das Leben und die Lust zelebrierte. Kaufhaus und Nachtclub sind die zentralen Schauplätze eines historischen Sechsteilers der ARD: „Eldorado KaDeWe“ ist ein authentischer und offenherziger Trip ins Berlin der Goldenen Zwanziger.

Die Handlung: In dem 1907 gegründeten Kaufhaus des Westens erscheint das Jahrzehnt anfangs wenig golden, die horrende Inflation, die dem verlorenen Weltkrieg folgte, hat ihre Spuren hinterlassen. Doch dann lockt der einfallsreiche Kaufhauserbe Harry Jandorf (Joel Basman) mit vielerlei Attraktionen Kriegsgewinnler, Unternehmer und Adlige erfolgreich ins KaDeWe. Das Kaufhaus kann er so retten, privat allerdings gerät er zunehmend auf die Verliererseite. Unter seinem ausschweifenden Leben mit Drogen und Prostituierten im Nachtclub „Eldorado“ leidet sein mentaler Zustand.

Ganz anders seine Schwester Fritzi (Lia von Blarer): Verliebt in die arme KaDeWe-Verkäuferin Hedi (Valerie Stoll), strebt die feministische Unternehmertochter eine leitende Position im Kaufhaus ihres Vaters an. Bisher aber stehen ihr konservative Kräfte im Weg, allen voran Buchhalter Georg Karg (Damian Thüne). Erst nach einer durchzechten Nacht im „Eldorado“ finden die vier Protagonisten des Sechsteilers zueinander und schwören einander ewige Freundschaft. Doch bald schon bedrohen der aufkeimende Nationalsozialismus und die zunehmende Verfolgung von Homosexuellen ihre Freiheit.

Eine Geschichte mit aktuellem Kern

Historisch belegt seien nur zwei der vier Personen dieses „Kleeblatts“, erklärt Regisseurin Julia von Heinz: Den Kaufhauserben Harry und den Buchhalter Georg verband tatsächlich eine lebenslange Freundschaft. Die Geschichte der Frauen indes habe sie sich ausgedacht. Von Heinz: „Auf die Idee, ein lesbisches Liebespaar ins Zentrum meiner Geschichte zu stellen, bin ich auch gekommen, weil meine 17-jährige Tochter queer ist. Einmal habe ich sie gefragt, warum sie immer nur Netflix schaut. Sie sagte mir, dass sie im deutschen TV nichts modernes Queeres finde.“ Aber auch die Lebensgeschichte ihres Vaters sei ein wesentlicher Ansporn gewesen: „Nach seinem Ableben habe ich herausgefunden, dass er sich nie geoutet hat und deshalb große Teile seines Lebens versäumt hat. Diese Erkenntnis war sehr schmerzhaft.“

Eine zentrale Location beim Dreh bot das prächtige Foyer der früheren britischen Botschaft in Budapest. Hier wurden Teile des historischen KaDeWe nachgebaut. Doch bei aller detailverliebten Beschäftigung mit der Vergangenheit ist es spannend zu sehen, wie viele Themen von „Eldorado KaDeWe“ alles andere als gestrig sind. Ob aufkeimender Antisemitismus, Gleichberechtigung oder städtische Wohnungsnot: Fast 100 Jahre später ist all das immer noch, oder wieder, relevant. Allein diese Erkenntnis lohnt das Einschalten des spannenden Sechsteilers.

„Eldorado KaDeWe - Jetzt ist unsere Zeit“: Montag, 27.12. um 20.15 Uhr im Ersten

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