Tore, Tränen und Triumphe

„Beckenbauer“: Von der Lichtgestalt zum Geächteten

08.01.2024 um 18:18 Uhr

Franz Beckenbauer war die Lichtgestalt des deutschen Fußballs: Als Spieler, Trainer, Funktionär gelang ihm alles – doch am Ende stürzte er ab. Das Erste zeigt heute ein umfassendes Porträt über die Ikone des deutschen Fußballs, die am 7. Januar 2023 im Alter von 78 Jahren verstorben ist.

Ein Artikel von Thomas Kunze für TV DIGITAL

Er hat alles erreicht: Weltmeister als Spieler und Trainer, unzählige Titel – ein strahlender Siegertyp. Zur Krönung seiner einmaligen Karriere holte Franz Beckenbauer als Funktionär die WM 2006 nach Deutschland – gegen alle Wahrscheinlichkeit und Widerstände in der Fifa. Sie wurde zum Sommermärchen und trug das Bild eines offenen Landes mit sympathischen Menschen in die Welt hinaus. Der Mann, der das dank seiner Kontakte, seines Charmes und Einsatzes verwirklichte, festigte damit seinen Ruf als Lichtgestalt des Fußballs. Dann gab es plötzlich schwere Anschuldigungen: Die WM soll gekauft worden sein, er habe am Turnier heimlich mitverdient. Beckenbauer selbst sieht sich als Opfer seiner Gutgläubigkeit. Die WM-Vergabe an Deutschland bleibt „ein großes, dunkles Geheimnis“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ 2022 urteilte.

„Beckenbauer“ ist der schlichte Titel des Films von Philipp Grüll und Christoph Nahr (Mo, 8. Januar, 20.15 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek), der das Leben des Fußballstars von der Kindheit bis heute erzählt. „Wenn es in den vergangenen Jahren um Franz Beckenbauer ging, lag der Fokus sehr stark auf den Vorwürfen rund um die WM-Vergabe 2006“, sagt Nahr. „Die gehören selbstverständlich auch in eine solche Dokumentation. Aber darüber ist fast in Vergessenheit geraten, was Franz Beckenbauer in seinem Leben erreicht hat und was für ein unglaublicher Fußballspieler er war. Unser Ziel ist es, den Zuschauerinnen und Zuschauern dieses einzigartige Leben mit all seinen Facetten zu zeigen.“ Dazu haben die Autoren viel Aufwand betrieben, seltenes Archivmaterial ausgegraben und 19 Interviews geführt – mit sportlichen Weggefährten wie Sepp Maier, Paul Breitner und Günter Netzer, privaten Begleitern wie seinem Bruder Walter und den Ex-Partnerinnen Sybille Beckenbauer und Diana Sandmann.

Auch Politiker wie Joschka Fischer, Wolfgang Schäuble und Otto Schily äußern sich über Beckenbauer. „Statt eine bestimmte Lesart vorzugeben und zu urteilen, möchten wir den Zuschauerinnen und Zuschauern die Möglichkeit geben, sich selbst ein Bild zu machen“, erklärt Grüll die Vorgehensweise. „Deshalb haben wir bewusst auf einen Sprechertext verzichtet und lassen stattdessen ausschließlich Menschen zu Wort kommen, die Franz Beckenbauer gut kannten oder aus anderen Gründen Substanzielles über ihn zu sagen haben.“ 1945 in München in einfachen Verhältnissen geboren, beginnt Beckenbauers Karriere, als er 1965 mit Bayern München in die Bundesliga aufsteigt. Sein Talent, seine Eleganz und seine virtuose Leichtigkeit sind außergewöhnlich.

Bei der WM 1966 in England geht sein Stern auch international auf. Er wird zum Weltstar und zum „Kaiser“ des deutschen Fußballs. Dabei ist er nicht nur Künstler, sondern auch Kämpfer und Vorbild. Bei der WM 1970 spielt er im Halbfinale gegen Italien mit Schulterverletzung durch. Bei der WM 1974 übernimmt er nach einer miserablen Vorrunde komplett das Kommando und führt die Mannschaft als Kapitän zum Titel: „Ohne ihn wären wir nie Weltmeister geworden“, sagt Sepp Maier, was Netzer und Breitner bestätigen. Nicht nur auf dem Feld lenkt er den Fußball in ungeahnte Höhen. Franz Beckenbauer gehört zur High Society, sein Manager Robert Schwan beschafft ihm Werbe- und Plattenverträge. Der Sportler wird zum Popstar und macht den Fußball gesellschaftsfähig.

Der Absturz eines Helden

Als seine erste Ehe scheitert, seine uneheliche Beziehung mit der Fotografin Diana Sandmann und seine Steuerschulden publik werden, bekommt die heile Fassade erstmals Risse. Beckenbauer flüchtet 1977 vor dem Trubel in die USA und spielt für New York Cosmos – wo sich für ihn eine neue, weite Welt auftut. Als er darum gebeten wird, übernimmt er 1984 ohne Trainerlizenz die Nationalmannschaft als Teamchef und führt sie 1990 zum WM-Titel.

Die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland empfindet Beckenbauer als beglückend. Da er das Gesicht dieser WM ist, wird er aber auch zum Gesicht ihres Skandals: Es heißt, dass es beim DFB schwarze Kassen gab. Von der Lichtgestalt zum Buhmann, Joschka Fischer empfindet die Empörung als „Heuchelei“. Ähnlich sieht es der ehemalige Innenminister Otto Schily: „Es war nicht fair, wie man mit ihm umgegangen ist. Ich glaube, dass er das als sehr schmerzlich empfunden hat.“

Und egal wie man dazu steht: Der Film zeigt, wie tragisch es ist, wenn ein Mann, der so viel für sein Land geleistet hat, zum Ende seines Lebens wie ein Geächteter im Abseits steht: schwer krank und von vielen verlassen, die ihn einst bejubelt haben.

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