Immer mehr Menschen fasziniert das Böse

Faszination Verbrechen: Warum sind True-Crime-Formate so erfolgreich?

03.11.2023 um 15:21 Uhr

Die TV-Doku „Angstlust“ geht dem scheinbar unstillbaren Verlangen nach immer neuen True Crime-Inhalten auf den Grund.

Ein Artikel von TV DIGITAL Redakteur Dirk Oetjen

Echt schaurig – schaurig echt: Erzählungen über wahre Verbrechen, landläufig bekannt unter dem Begriff True Crime, sind ein Trend, dessen Erfolg seit Jahren nicht abebben will. Der Beginn des Hypes lässt sich ziemlich genau datieren und auf den Rummel um eine Person zurückführen: die Schülerin Hae Min Lee, die 1999 in Baltimore, Maryland, ermordet wurde. Ihr damals 17-jähriger Mitschüler und Ex-Freund Adnan Syed war wegen des Mordes an Lee zu lebenslanger Haft verurteilt worden. 15 Jahre später, 2014, weckte die US-Journalistin Sarah Koenig mit ihrem Podcast „Serial“ berechtigte Zweifel an der Schuld des Inhaftierten. Über 300 Millionen Mal wurde „Serial“ weltweit abgerufen. Seitdem folgten unzählige weitere True-Crime-Podcasts. „Mord auf Ex“ etwa wird jeden Monat fünf Millionen mal abgespielt. Und der erfolgreichste deutschsprachige Podcast, „Zeit Verbrechen“, ist so beliebt, dass er gerade als Serie für Paramount+ umgesetzt wird, unter anderem von Helene Hegemann.

Denn auch aus dem Angebot der Streamingdienste ist True Crime nicht mehr wegzudenken. Die sehenswerte Doku „Angstlust: Faszination True Crime“ (Sa, 4. November, 19.20 Uhr bei 3sat) geht jetzt dem Phänomen auf den Grund: Warum sind reale Schauergeschichten so beliebt? Ein Strudel der Hormone Experten wie der Literaturwissenschaftler Simon Sahner und die Medienpsychologin Johanna Börsting nennen einen Grund: True Crime ermöglicht es, sich mit der Gefahr auseinanderzusetzen sowie Angst, Ekel oder Verachtung zu spüren, ohne selbst in Gefahr zu geraten. Hinzu kommt der große Drang, Unerklärliches wie das ultimativ Böse verstehen zu wollen.

Hörer von True-Crime-Podcasts zu über 90 Prozent weiblich

Für Frauen scheint das besonders reizvoll zu sein: Einer Studie zufolge sind die Hörer von True-Crime-Podcasts zu über 90 Prozent weiblich – allerdings sind auch die Opfer in diesen Formaten zumeist Frauen. Außerdem liefern wahre Verbrechen eine perfekte dramatische Struktur. Je intensiver und detailreicher ein Fall recherchiert wurde, desto realistischer wirkt eine Erzählung und umso intensiver ist der Schub an Hormonen, den sie auslöst: Adrenalin aufgrund der Spannung, Cortisol, weil die Geschichte auch ein wenig stressig ist. Dazu Dopamin, das unsere Aufmerksamkeit erhöht. So erklärt es die Kulturjournalistin Samira El Ouassil in der Dokumentation. Überraschungen und große Gefühle verstärken diesen Effekt.

Mitreißend ist auch das älteste True-Crime-Fernsehformat der Welt: „Aktenzeichen XY... Ungelöst“. Der 56-jährige TV-Klassiker ist erfolgreicher denn je und treibt das Involviertsein der Zuschauer auf die Spitze: „Ich höre immer wieder von Menschen, die zuschauen, weil sie das Gefühl haben, irgendwann jemanden auf einem Fahndungsfoto oder auf einem Phantombild zu erkennen“, sagt Moderator Rudi Cerne. Obwohl die nachgespielten Gewaltverbrechen das Publikum aufwühlen, vermittelt der Rahmen – das vertraute Studio, die versierten Ermittler, die seriöse Moderation – auch hier wieder ein Gefühl der Sicherheit. Und der Stoff wird True-Crime-Podcasts, Streaming- und TV-An[1]geboten nicht ausgehen: Schließlich geschehen allein in Deutschland über fünf Millionen Straftaten im Jahr.

„Angstlust: Faszination True Crime“ : Sa, 4. November, 19.20 Uhr bei 3sat und hier online abrufbar.

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