Trecker, Typen, Tiere - tägliche Hofidylle im Ersten

„Hofgeschichten“: Neue ARD-Doku mit der einzigen Fischerin Berlins

24.07.2023 um 13:57 Uhr

Von Bauern, Fischern, Viehzüchtern: Die „Hofgeschichten“, in den Dritten längst TV-Lieblinge, starten nun täglich im Ersten.

Ein Artikel von TV DIGITAL -Reporterin Dago Weychardt

Es ist höchste Zeit: Die WagyuRinder sollen auf die Weide. Endlich. „Der ganze April war so verregnet, da ging nichts“, erklärt Landwirt Georg Mayerhofer. „Und die Wagyus mögen keine nassen Füße.“ Deshalb muss es nun schnell gehen. Auf dem Land regiert der Wettergott, und der ist wankelmütig. Nun soll es für ein paar Tage trocken bleiben. Gemeinsam mit einer Praktikantin repariert er den Stromzaun. Doch das Gras steht zu hoch, berührt die Kabel. Die untere Leitung gibt Spannung ab. Mayerhofer, ein Machertyp mit Hang zu technischen Innovationen und Perfektion, improvisiert mit den Kabeln. „Stümperhaft“, meint der 42-Jährige selbstkritisch, aber er findet eine Zwischenlösung. Kurz darauf stürmen Thelma, Louise und die anderen Kühe ins Grün, schlagen wild mit den Hufen aus. Sind das Freudensprünge?

Für den Zuschauer wirkt es so: Hier grasen glückliche Kühe in den sanften, saftig grünen Hügeln der bayerischen Toskana bei Passau. Geschönt? „Nein, wir zeigen nicht nur fröhliche Kälber auf der Weide, sondern auch die Herstellung von Lebensmitteln – das authentische, echte Landleben, wo nicht immer die Sonne scheint. Es gehört auch dazu, dass mal eine Kuhhälfte zerlegt wird“, stellt Thomas Fischer klar. Der NDR-Redakteur gilt als Erfinder der „Hofgeschichten“, die seit fünf Jahren im NDR laufen und im Sendegebiet fast zehn Prozent Marktanteil erreichen.

„Hofgeschichten – Ackern zwischen Alpen und Ostsee" ab dem 24. Juli täglich im Ersten

Im BR heißt das Pendant „Bayerische Hofgeschichten“. Nun erhält die liebevoll gemachte Reportagereihe den Ritterschlag: „Hofgeschichten – Ackern zwischen Alpen und Ostsee“ startet mit eigenem Sendeplatz am Nachmittag im Ersten. An den zunächst 17 Folgen à 48 Minuten sind NDR, BR, rbb, MDR, WDR und SWR beteiligt. Fischer: „Mich freut besonders, dass die ‚Hofgeschichten‘ im Ersten eine echte Gemeinschaftsproduktion sind, mit der wir bundesdeutsche Vielfalt abbilden.“

Was ist das Besondere an der Sendung? „Wir zeigen nicht nur einen Betrieb, sondern mehrere Höfe. Am Anfang jedes Films steht immer ein Drohnenflug, der den Hof in der Landschaft etabliert. Dann ist sofort klar: Jetzt sind wir wieder am Müggelsee, in der Pfalz, der bayerischen Toskana, der Magdeburger Börde oder am Deich. Pro Folge zeigen wir sechs Höfe, wovon jeder mindestens zweimal auftaucht. Außerdem begleiten wir die Betriebe über einen längeren Zeitraum, nicht nur zur Ernte.“

 

Die Filmteams drehen viel draußen, es passiert immer etwas, und der Wechsel zwischen Orten und Protagonisten macht die „Hofgeschichten“ abwechslungsreich. „Grundsätzlich: Es ist einfach spannender, mit Berlins einziger Fischerin Maria Thamm auf dem Müggelsee die Reusen zu kontrollieren, als den Alltag eines Büroangestellten zu verfolgen“, sagt Fischer. Tiere, Typen, Trecker – diese Mischung zieht, auch dank starker Charaktere: „Wir suchen Landwirte und Landwirtinnen, die mit ganz besonderer Leidenschaft rangehen, das Herz auf dem rechten Fleck haben und noch dazu mit ihrer Mundart die Region verkörpern“, führt Thomas Fischer aus. „Die besten Momente sind die, in denen unsere Protagonisten improvisieren müssen, weil auch mal was schiefgeht. Wenn zum Beispiel der Deichbauer einen Anruf bekommt und loseilt, weil eine Kuh ausgebüxt ist, und unser Team hinterherrennt.“

So geschehen bei Albert Smidt in Ostfriesland, zu sehen in Folge 1. Die Bandbreite der insgesamt zwölf Höfe ist groß, auch ein Ostsee-Inselbauer, eine Straußenfarmerin aus NordrheinWestfalen und eine ehemalige LPG in Thüringen sind dabei.

Maria Thamm  ist die einzige Fischerin Berlins

Die wohl ungewöhnlichste Mitwirkende ist Maria Thamm. Thamm ist die einzige Fischerin Berlins und mit 21 Jahren dort auch die jüngste ihrer Zunft. Eigentlich wollte sie heute raus auf den Großen Müggelsee. „Aber es war zu windig“, sagt Maria Thamm. Im Sommer geht es um fünf Uhr los, im Winter später, je nach Sonnenaufgang. Viele der schweren Fanggeräte müssen täglich kontrolliert werden. Sie werden von Pflanzen befreit, geflickt, oder es wird eine Lampe gewechselt. Was liebt die gelernte Fischwirtin an ihrem auch körperlich harten Job? „Die große Vielseitigkeit, und ich bin immer an der frischen Luft. Ein Bürojob kommt für mich nicht infrage.“

Mit vier, fünf Jahren fuhr sie das erste Mal mit ihrem Vater raus. Heute fängt sie mit Reusen und Stellnetzen Barsche, Zander, Schleien, Karpfen, Aale und andere Fische. Die schönsten Momente sind für sie die Sonnenaufgänge im Frühjahr und Sommer, „wenn das Wasser noch ganz still daliegt und dampft“. Warum macht sie mit bei den „Hofgeschichten“? „Viele Menschen haben keine Ahnung, was alles dazugehört, bis ein heimischer Aal oder Zander verkauft wird. Ich möchte den schönen Beruf und den Prozess dahinter zeigen: Bau und Wartung der Fanggeräte, Fischfang, Schlachten, Ausnehmen, Räuchern und Verkauf.“

Das Filmteam hatte Glück. Während der zweiwöchigen Drehzeit ging ein etwa 1,30 Meter langer Wels ins Netz. Maria Thamm wird in ein paar Jahren den Hof ihres Vaters übernehmen. Viele Betriebe sind in Familienhand. Jonas Schulze Niehoff studierte erst Mathematik und Informatik, bevor er den Ökobetrieb seines Vaters übernahm. Auf den fruchtbaren Böden der Magdeburger Börde experimentiert er nun mit ungewöhnlichen Saaten wie Quinoa, Soja und Hanf. Im Sauerland hat Maria Woeste auf dem elterlichen Gut eine solidarische Landwirtschaft aufgebaut.

Nina Bartl vom Tegernsee wird auch „Gucci“-Bäuerin genannt

Nina Bartl vom Gschwandtnerhof in Festenbach am Tegernsee wird wegen ihrer fein manikürten Fingernägel auch „Gucci“-Bäuerin genannt und packt dennoch kräftig an. Sie organisiert die Besamung einer Kuh per Smartphone und schafft es noch pünktlich zum Trachtenumzug im Ort, natürlich perfekt gestylt. Georg Mayerhofer hat den Hof vom Vater übernommen, bewirtschaftet über 300 Hektar Ackerland, baut neben Getreide auch Soja, Mais und Kleegras an. Zum Säen und Ernten fahren er und sein Team mit gewaltigen John-Deere-Traktoren und Spezialgerät aufs Feld. Auch diese Kolosse machen den Reiz des Formats aus, das vom kleinen Hofladen bis zum Großbauern eine enorme Vielfalt abbildet.

„Landwirtschaft ist viel komplexer, als man denkt, nicht immer ist bio gut und konventionell schlecht“, betont der dreifache Vater, der 2021 von konventionell auf bio umgestellt hat. Das Wetter ist landauf, landab ein Kernthema: „Wir Landwirte brauchen gleichmäßiges Wetter“, erklärt Georg Mayerhofer. „Dürren und Starkregen treffen uns brutal. Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Wetter-Apps ich auf dem Handy habe.“ Er sprüht vor Ideen, kooperiert mit einem Uni-Projekt zu insektenfreundlichen Grünstreifen und hat auf der Weide der Wagyus eine Streuobstwiese angelegt. „Ich möchte, dass meine Enkel später wissen, wie der Roggen wächst und was ein Rebhuhn ist. Landwirt sein ist für mich Berufung, nicht nur Beruf. Es lohnt sich, dafür zu brennen – und ich mag die Verantwortung.“

Anders Nina und Sebastian Kill sind in der Großstadt aufgewachsen

Neben der Wagyu-Herde will er auch eine Bioschweinemast aufbauen. Per Biogasanlage erzeugt er Strom und Wärme. Die meisten wachsen wie Mayerhofer in diesen Beruf hinein, der immer noch ein Knochenjob mit wenig Freizeit ist. Anders Nina und Sebastian Kill: „Wir sind beide aus der Großstadt, hatten keinen Hof zu Hause. Das macht uns als Landwirte zu Exoten.“ Das Paar lernte sich im ersten Lehrjahr kennen und bewarb sich während des Studiums um den Bärenbrunnerhof in der Pfalz. Heute hält es auf dem Biohof Schweine, Hunde, Hühner, Kühe und Schafe. „Vom Tier bis zur Bratwurst wird alles hier auf dem Hof erschaffen. In Handarbeit. Das ist nicht selbstverständlich“, sagt das Paar, das die „Hofgeschichten“ auch selbst gerne schaut: „Für uns ist das wie eine Bildungsreise.

Wie arbeitet der andere? Und mit welchen Maschinen?“ Auch wenn die Zahl der Bauernhöfe hierzulande sinkt, Stoff für weitere Staffeln gäbe es bei über 250.000 Höfen in Deutschland, zumal die Zahl der Biohöfe wächst (siehe Infokasten links, unten). Die „Hofgeschichten“ zeigen eine Branche im Wandel. Massentierhaltung und Monokulturen stehen in der Kritik. Volle Supermarktregale sind nicht mehr selbstverständlich in Zeiten von Extremwetter, Lieferengpässen und Personalnot. Die neuen „Hofgeschichten“ für das Erste wurden vor allem im Mai gedreht. Wie geht es weiter? „Wir könnten noch in diesem Jahr nachlegen“, sagt Thomas Fischer. „Etwa zur spannenden Erntezeit – wenn man träumen darf!“

„Ackern zwischen Alpen und Ostsee“: 17 Folgen ab dem 24. Juli , immer werktags ab 16.10 Uhr im Ersten und in der ARD-Mediathek

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