Neuer Fall für Marie Brand im ZDF

Mariele Millowitsch: „Verstehe das alles nicht mehr“

20.04.2024 um 13:45 Uhr

Eine starke Frau mit vielen Gesichtern: Mariele Millowitsch begeistert als „Klara Sonntag“ und ZDF-Ermittlerin „Marie Brand“. Ein Interview über Kindheit, die veränderte Fernsehlandschaft, das Geheimnis ihres Optimismus und die Kunst, allein glücklich zu sein.

Ein Interview von TV Digital Reporterin Mirja Halbig

Sie gehört zu den erfolgreichsten Schauspielerinnen im deutschen Fernsehen: Mariele Millowitsch . Nach Kindheit und Jugend auf der Bühne des Familientheaters neben ihrem berühmten Vater Willy kehrte sie dem Schauspiel nach dem Abitur zu - nächst den Rücken zu. Mitte der 1990er feierte sie mit „Girl Friends“ und „Nikola“ einen überraschenden Durchbruch im TV. Seitdem geht es für die Kölnerin nur bergauf: Mit ihren Rollen als Bewährungshelferin „Klara Sonntag“ und Ermittlerin „Marie Brand“ (Sa, 20. April, 20.15 Uhr im ZDF) avancierte sie zum Publikumsliebling.

Im großen Exklusiv-Interview berichtet die 68-Jährige von ihrer Kindheit im Hause Millowitsch – ein Nachname, mit dem sie es, wie sie sagt, nicht immer leicht hatte. So verbunden sie sich ihrer Familie auch fühlt, in dem bewegenden Gespräch zeigt sie sich als Mensch, der seinen eigenen Weg geht.

TV DIGITAL: Die Tage werden länger, die Sonne steht höher: Wie sehr freuen Sie sich, dass jetzt der Frühling kommt?

MARIELE MILLOWITSCH: lch freue mich, wenn ich die ersten Rufe der Vögel höre und die Blümchen langsam rauskommen, aber ich werde auch nicht so schnell depressiv, wenn es lange dunkel ist. Es mag am Kölschen liegen – ich schätze Sie als absolut optimistischen Menschen ein. Liege ich da richtig? Ich weiß nicht, ob es etwas mit Köln zu tun hat, aber ich habe Glück, dass ich so bin.

Woher nehmen Sie Ihren Optimismus?

Ein Teil ist natürlich angeboren. Eine Fähigkeit, die ich habe und für die ich sehr dankbar bin, ist, dass ich mich über Kleinigkeiten freuen kann: über jemanden, der lachend über die Straße läuft, oder über ein Eichhörnchen vor meinem Fenster.

Wie sehr wurden Sie durch Ihr Elternhaus geprägt? Wie war die Stimmung zu Hause bei Familie Millowitsch?

Sehr unterschiedlich. Alles drehte sich um den Vater. Das war das alte patriarchalische System. Die Mutter hat sich untergeordnet. Es gab fröhliche, gelöste Momente, wenn der Vater gut drauf war, aber es gab auch Angstmomente. In welchen Situationen? Na ja, wenn mein Vater wieder explodierte. Er war launisch. Ich konnte das als Kind nicht gut ertragen und kann es bis heute nicht, wenn jemand herumbrüllt.

Hatte Ihr Vater auch liebevolle Seiten?

Selbstverständlich hatte er die, aber sie waren nicht so häufig da. Wenn es um Zeugnisse ging, war er ganz lieb. Er war selbst in der Schule nicht gut und hat nie Druck ausgeübt, sondern uns in den Arm genommen nach dem Motto: Wird schon!

Gingen in Ihrem Elternhaus viele prominente Gäste ein und aus?

Meine Mutter war sehr gastfreundlich. Ob Peter Frankenfeld, Heidi Kabel, Agnes Fink, sie waren alle bei uns. Zarah Leander hat uns Kinderlieder vorgespielt. Diesbezüglich war es eine tolle Kindheit. Aber ich habe auch früh gesehen, dass die Schauspielerei zwei Seiten hat. Viele Kollegen waren nicht wirklich fröhlich, hatten Angst oder haben zu viel Alkohol getrunken.

Hatten Sie es mit dem Nachnamen Millowitsch in Köln leichter als andere?

Das war etwas Besonderes. Es wurde in der Schule ziemlich viel Theater um mich gemacht. Ich habe das genossen. Heute würde ich das gar nicht mehr aushalten. Ich war mal mit der Schulklasse im Museum, als zufällig zeitgleich Adenauer dort war. Zu Hause habe ich dann behauptet, der Adenauer sei auf mich zugekommen und habe gesagt: „Du bist doch die kleine Millowitsch.“ Dabei hatte er mich gar nicht zur Kenntnis genommen. Als Angeberin stand ich in der Schule auch mal allein da. Sie spielten früh Theater.

Wie sehr war das auch Ihr eigener Wunsch?

Ich gehörte zum System. Mit neun stand ich zum ersten Mal auf der Bühne, mit 18 jede Saison. Von meinem Vater habe ich mir viel abgeguckt: Er war ein klasse Komiker, hatte ein grandioses Timing. Und die Disziplin habe ich von ihm. Auch während des Abiturs, das ich mit Hängen und Würgen hinbekommen habe, war die Bühne für mich das Schönste. Als es um die Berufswahl ging, fielen mir die Schauspieler ein, die voller Ängste waren, und ich dachte: Nein! Zu der Zeit wollte ich noch Familie haben und dachte, das lässt sich nicht vereinbaren.

Wie haben Sie sich freigeschwommen?

Ich habe Tiermedizin in München studiert. Darauf hat mich mein Cousin gebracht. Es war das Beste, was ich machen konnte. Ich musste raus. Natürlich kannte man in München den Namen Millowitsch, aber es war nicht so schlimm wie in Köln.

Wie kamen Sie nach Ihrer Studienzeit in München zurück zum Schauspiel?

Ich saß im dritten Staatsexamen, als ich ein Rollenangebot für das Kom(m)ödchen in Düsseldorf bekam. Das habe ich angenommen. Und dann kam Katharina Trebitsch mit dieser wunderbaren ZDF-Rolle in „Girl Friends“. Ich bin ihr bis heute dankbar, dass sie mir die Chance gegeben hat. Damals war ich Ende 30, das war schon spät, da hören andere auf.

Man sagt, für Frauen wird es schwer, gute Rollen zu bekommen, je älter sie werden. Nehmen Sie das auch so wahr?

Ich bin ein Gegenbeispiel. Ich glaube, dass sich die Fernsehlandschaft verändert, und das Altsein soll dort keiner mehr sehen. Eine junge Kollegin erzählte mir, dass die Rollen mittlerweile mit denen besetzt würden, die die meisten Follower bei Instagram oder Facebook haben. Ich verstehe das alles nicht mehr. Das ist doch überhaupt kein Qualitätsmerkmal.

Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Ich bin froh, dass ich schon älter bin. Heute würde ich diese Karriere nicht mehr machen. Meine Rollen als „Marie Brand“ und „Klara Sonntag“ sind wie Sechser im Lotto.

Sie haben heute keine eigene Familie – anders als Sie es sich einst gewünscht haben.

Wie fühlt sich das an? Ich habe viele Jahre gedacht, dass ich gern Kinder hätte. Es hat sich nicht ergeben.

Welche Vorteile hat das Alleinsein?

Viele. Ich muss für niemanden sorgen. Ich habe meine Freiheit, muss mich nicht absprechen, keine Kompromisse machen. Vielleicht werde ich mit der Zeit ein bisschen schrullig. Ich halte mich nicht dafür, außer dass ich die ganze Zeit mit mir selbst quatsche – gern in verschiedenen Dialekten, was mir einen Höllenspaß macht. Oder ich texte meinen Hund zu. Wenn einer im Haus wäre, würde er vielleicht sagen: Kann die nicht mal die Klappe halten? Es ist alles gut so, wie es ist. Ich bin gern allein.

Es gibt Leute, die Einsamkeit und Alleinsein verwechseln. Dabei gibt es gravierende Unterschiede. Was entgegnen Sie diesen Menschen?

Einsam ist, wenn man niemanden hat. Ich lebe in einem intakten Freundeskreis und weiß immer, wen ich anrufen kann. Dann ist das Alleinsein gut.

Wie zufrieden sind Sie in Ihrem Leben?

Sehr. Ich möchte nicht selbstzufrieden klingen, aber worüber soll ich jammern? Wenn ich es täte, würde bestimmt mit einem Mal etwas kommen – aber es geht mir gut, und ich bin gesund. Dafür bin ich dankbar.

Das Interview mit Mariele Millowitsch wurde Anfang des Jahres 2023 geführt

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