Interview mit "Jochem Erlemann" Darsteller

Torben Liebrecht: Er fordert Inflationsausgleich für die deutsche Filmbranche

14.09.2023 um 11:54 Uhr

Aktuell ist Torben Liebrecht im Drama „Entführt - 14 Tage Überleben“ als Investor Jochem Erlemann zu sehen. Ein Projekt, das ihm großen Spaß gemacht hat. Doch grundsätzlich sieht er in der Filmbrache viel Bedarf für Veränderungen. Im Gespräch findet er klare Worte…

 

In dem neuen TV-Drama „Entführt – 14 Tage Überleben“ spielen Sie Jochem Erlemann, den millionenschweren Geschäftsmann, der vom Gefängnis aus erleben muss, wie sein Sohn entführt wird. Was hat sie an der Rolle gereizt?

Mich hat erst einmal die Geschichte gereizt. Es geht ja um einen echten Fall, der vor über 40 Jahren passiert ist. Diese Konstellation hätte kaum schlechter sein können: Vater im Gefängnis, das Millionen-Vermögen eingefroren, der ältere Sohn ist schwer an Krebs erkrankt und dann wird auch noch der jüngere Sohn Johannes entführt. Die Polizei glaubt der Familie eigentlich nicht und denkt, sie würde das Lösegeld nur zur Seite schaffen wollen. Und auch als der Kleine wieder freikommt, glaubt man ihm nicht. Das ist einfach eine irre Geschichte, bei der wahnsinnig viel in wahnsinnig kurzer Zeit passiert. Und dass Johannes Erlemann als Berater bei diesem Projekt dabei war, fand ich faszinierend. Das war ein Geschenk.

Und die Figur Jochem Erlemann?

Die Figur ist so reizvoll, weil sie sich zu Beginn des Films auf dem Zenit des Erfolgs befindet. Partys, Privatjet, Promis – jemand der eigentlich nur mit dem Finger schnippt und scheinbar alles haben kann, was er will. Und dann landet Jochem Erlemann in U-Haft und kann plötzlich nichts mehr tun, hat keinen Einfluss mehr. Diese Ohnmacht bringt eine interessante dramaturgische Fallhöhe.

Gehen Sie mit Rollen nach realem Vorbild anders um?

Ich glaube, man muss sich die Figur immer ganz nah heranholen und sich fragen, was ist ihr wichtig? Wofür brennt sie, wovor hat sie Angst? Über Jochem Erlemann gibt es seine eigenen dokumentierten Aussagen, Zeitzeugenberichte, Fernsehsendungen. Er war ja eine schillernde Persönlichkeit und bekannt im Kölner Raum. Ich sehe ihn als hochintelligenten Mann, der zugleich ein großes Kind war, dessen Spielplätze immer größer wurden. Was ich sehr spannend fand, ist, dass er Menschen ihr Geld zurückgezahlt hat, wenn Fonds nicht erfolgreich zu Ende geführt wurden. Der Mann hat etwas Charmantes, Charismatisches. Das wird auch deutlich, wenn man mit Johannes Erlemann über seinen Vater spricht. Man darf natürlich darüber streiten, ob seine Steuersparmodelle die deutsche Gesellschaft nach vorne gebracht haben. Die Bundesrepublik wurde jedenfalls durch ihn auf ein paar Schlupflöcher aufmerksam gemacht.

Jochem Erlemann ist in dem Film an erster Stelle Geschäftsmann und darum wenig präsenter Vater. Muss ihr Privatleben manchmal auch zurückstecken, weil sie an erster Stelle Schauspieler und Sprecher sind?

Natürlich möchte man immer ‚da sein‘, aber was heißt das? Bedeutet ‚da sein‘ physisch vor Ort sein oder der Familie eine möglichst allumfassende Versorgung bereitzustellen? Und das beantwortet wohl jeder etwas anders. Ich führe oft ein Zirkus-Leben. Zuhause ist die Basis, dann kommt ein Projekt mit dem ich ein paar Wochen durch die Gegend reise und dann komme ich wieder nach Hause. Es gibt mal Zeiten, an denen ich ungern weg bin, weil privat etwas Wichtiges ansteht. Aber bisher habe ich das gut unter einen Hut bekommen. Am Ende geht privat immer vor.

Sie halten ihre Familie weitestgehend aus der Öffentlichkeit raus.

Privatleben und Privatsphäre sind das Schönste und Schützenswerteste überhaupt. Egal, was man über sich preisgibt, es wird morgen schon eine andere Schlagzeile geben. Und am Ende hast du etwas erzählt, was du nie wieder aus der Öffentlichkeit zurückholen kannst. Meine Ehe ist bekannt. Es gibt Bilder von meiner Frau und mir. Und das reicht dann auch.

In einem Interview von 2017 erzählen Sie, Sie hätten sich feige an die Arbeit gefesselt und bisher wenig von der Welt gesehen. Das war kurz vor Ihrem 40. Geburtstag. Halten sie ihre Zügel mittlerweile etwas lockerer?

Ich habe zu der Zeit einfach viel verpasst. Ich bin seit meiner Jugend von Projekt zu Projekt gesprungen und wenn ich mal Urlaub gemacht habe, hatte ich Angst, dass das Telefon klingelt und mir ein Job durch die Lappen geht. Ich habe ab diesem Zeitpunkt aber einiges geändert. Damals bin ich in die USA und nach Südamerika gegangen, habe dort mit Sir Ben Kingsley und Oscar Isaac gedreht. Dann ging es nach Thailand in ein Thaiboxcamp, später für ein paar Monate nach Los Angeles und für „Altered Carbon“ nach Kanada. Ich habe das als Anlass genommen, das Reisen nachzuholen und neue Visionen zu setzen, um den Erinnerungsspeicher positiv aufzuladen. Nach Corona muss ich mir das aber auch erstmal wieder zurückholen.

Stichwort Arbeitsethos: In Hollywood tobt aktuell der Arbeitskampf in der Filmbranche. Drehbuchautoren und Schauspieler streiken für bessere Löhne. Sie spielen auch an internationalen Filmsets. Wie viel bekommen sie von der Situation mit?

Sie streiken nicht allein für bessere Löhne, sie streiken primär für die Zukunftssicherheit Ihrer und damit auch unserer Arbeitsplätze in der Branche. Künstliche Intelligenz ist eine reale Bedrohung für alles Kreative und letztlich jeden Arbeitnehmer. Auch Streaming und digitale Vertriebswege haben das grundsätzliche Geschäftsmodell so radikal verändert, dass die veralteten Rahmenverträge endlich angepasst werden müssen. Hier geht es um eine angemessene Teilhabe. Man schaut immer gerne auf die paar Stars, die zweistellige Millionenbeträge verdienen. Aber Fakt ist, dass die Mehrheit der Schauspielenden dort nicht einmal genug Geld bekommt, um ihre Krankenversicherung bezahlen zu können. Ich bemerke natürlich, dass gerade keine Castings dort laufen. Aber das ist ein wichtiger Kampf, in dem irreversible Weichen gestellt werden müssen.

Und wie steht es um die deutsche Filmindustrie? Wann gehen die Schauspieler in Deutschland in den Streik?

Das ist ein komplexes Thema. Vereinfacht ausgedrückt haben wird das Problem, dass immer mehr und immer aufwändigere Projekte in immer weniger Zeit entstehen müssen, weil die Budgets nicht entsprechend angepasst wurden. Und wenn man immer mehr in immer weniger Zeit leisten muss, dann leiden die Qualität, die Sicherheit und natürlich auch die Vergütungen der einzelnen Gewerke. Es gibt auch in Deutschland Schauspielende, die sieht man regelmäßig und die können trotzdem kaum ihre Miete davon zahlen. Es muss sich etwas ändern. Budgets müssen mitwachsen, wir brauchen einen Inflationsausgleich und letztlich auch die Möglichkeit, dass kreativ Beteiligte an Erlösen von kommerziell erfolgreichen Projekten mitpartizipieren. Damit sich das ändert, müssen sich alle Filmschaffenden über ihre jeweiligen Verbände sicht- und hörbar machen und mit den betreffenden Auftraggebern an den Verhandlungstisch finden.

Zum Schluss ein kleiner Ausblick. Auf welche zukünftigen Projekte mit ihnen können sich die Zuschauer freuen? Werden wir sie in der 2. Staffel „Gestern waren wir noch Kinder“ sehen?

Einiges habe ich gerade erst angefangen zu drehen. Ich bin ein bisschen abergläubisch und erzähle lieber erst von einem Projekt, wenn wirklich alles im Kasten ist. Und zum Thema 2. Staffel kann ich nur sagen: Mal schauen, was da so passiert…

Ich freue mich auf jeden Fall sehr über die Nominierungen von „Gestern waren wir noch Kinder“ als ‚Bester Mehrteiler‘ beim Deutschen Fernsehpreis 2023 und als ‚Beliebteste Serie‘ beim Blauen Panther 2023. Meine Daumen sind gedrückt.

 

Am 14. September um 20:15 Uhr läuft „Entführt – 14 Tage Überleben“ bei RTL.

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